Die Unvergessenen

 


 

 

 

 

EMIL 

1993 – 8.12.2009

 

Emil, unser Mitglied aus dem ganz alten, ganz grossen Rudel mit der enormen Reise-Erfahrung, hat heute seine letzte Reise angetreten.   

Er kam als einer von sechs Welpen aus mehr als desolaten Verhältnissen zu uns. Nachbarn einer italienischen Familie hatten den Welpen, dessen Mutter eine reinrassige Staffordshire-Hündin war, von der Kette befreit und ihn eigentlich zu uns bringen wollen. Dabei entwischte der kleine quirlige Welpe. Einige Zeit später wurde er aufgegriffen und landete als Fundhund der Gemeinde Clenze dann doch in Sareitz. Allerdings wurde mir durch den in Hunderassen etwas unkundigen Mitarbeiter ein Rottweiler angekündigt. Als der Gemeinde-Wagen mit Emil ankam, schaute ich immer an diesem Zwerg vorbei und hielt nach dem Rotti Ausschau….. 

Zu Emils Kinderzeiten versuchte ich Hunde noch über Zeitungsanzeigen und Aushänge in Tierarztpraxen zu vermitteln. Emil war der einzige Hund, der in all den Vermittlungsjahren aber auch nicht einen einzigen Interessenten für sich in Anspruch nehmen konnte. Das mag an meinen damals noch per Polaroid hergestellten Bildern gelegen haben, vielleicht aber auch an Emils unübersehbar kurzer Schnauze mit dem weiten Unterbiss, bei der Kenner gleich den Terrier erkannten. Wie dem auch sei, Emil durchwanderte die bei uns üblichen Stadien: Aufenthalt im Hundehaus, einige Zeit später bei gutem Betragen der Umzug auf die Couch im „Zwischenlager“ (wir wohnen schliesslich im Wendland!) vor der Küchentür und dann – in weiter Ferne – die Erkenntnis, dass ihn wohl niemand haben möchte und er damit ins Wohnhaus umsiedeln durfte.  

Er lebte also mit im Stammrudel und war ein leicht zu haltender Hund – ausser: man kam auf die Idee, Emil an die Leine zu legen! Innerhalb von Sekunden wurde er zu einer reissenden Bestie, die alles, besonders aber Hunde, verspeisen wollte. Seinen Spitznamen „dat Emmillsche“ hatte er auf Grund seines leicht stackeligen Ganges bald weg und es war immer herrlich, wenn unsere canadischen Freunde sich im rheinischen Dialekt versuchten.  

Emil flog viele Male mit uns und unserem Hundetross nach Nordamerika. Er war ein sehr reiseerfahrener und geübter Begleiter. Er segelte und fuhr Motorboot wie ein Leicht-Matrose, er jagte Eichhörnchen wie ein Terrier und er bellte Möwen und anderes fliegendes Getier n die Flucht, so dass Klein-Oscar nie in Gefahr war, durch einen der grossen Weisskopf-Adler gepackt und davon getragen zu werden.

Emil erhielt die Position der Flugabwehr und war gut darin.

Er liebte es, durch die Büsche zu schlendern, was ihm mehrmals Begegnungen mit Stachelschweinen einbrachte. Leider kam es eines Tages zu einer wirklich schlimme Begegnung: Eines dieser sich bedroht fühlenden Schweine peitschte ihn förmlich mit seinem Schwanz aus und Emil war über und über mit den in die Haut eindringenden Stacheln gespickt. Meine sofort eingeleitete Operation auf dem Küchentisch dauerte ewig, die Menge der eingesetzten Narkosemittel bewegte sich am Rande des technisch Möglichen. Trotzdem erwischte ich nicht alle der vielen Hundert Stacheln. Auch die am Abend unter Gasnarkose zusätzlich durchgeführte Operation beim Tierarzt schien nicht alle Stacheln beseitigt zu haben.

 

Emil durchlitt für einige Jahre immer wieder einmal Höllenqualen, wenn die Stacheln seinen Körper durchwanderten und er aus heiterem Himmel gellend aufschrie.  Er hatte Angst, sich zu bewegen oder auch zu fressen und mehr als einmal dachte ich an Euthanasie unseres tapferen Kämpfers. Mehrmals rammte ich meine Hand beim Streicheln von Emil in einen spitzen, gerade aus der Haut getretenen Stachel. Eines Morgens trat ich sogar vor meinem Bett in Deutschland in so ein unvorstellbar hartes Ding.

Emil hatte unser tiefes Mitgefühl und immer wieder hofften wir, er möge diese Qualen für immer hinter sich haben.  

Emil war ein sehr verträglicher Hund (ohne Leine!), und alle Vermittlungshunde, die im Laufe seiner 16 Lebensjahre bei uns einzogen, wurden freundlich bis neutral begrüsst. Er ging Kämpfen aus dem Weg und war ein unauffälliger Hund mit einer typischen Terrier-Stimme. Denn klingelte es oder liefen Menschen vor der Haustür vorbei, dann war Emil in seinem Element! ALARMMMM!!!  Im Laufe der Jahre wurde seine Stimme heiserer, seine Fähigkeit zur Luftabwehr liess nach und eine Taubheit stellte sich ein. Was ihn aber nicht daran hinderte, auf wundersame Weise Menschen vor der Haustür zu hören.........

Emil war ein sehr guter und von uns beiden geliebter Hund, Er war nun fast zwei Jahrzehnte bei uns und wir vermissen ihn, werden aber immer Anekdoten aus unserem gemeinsamen langen Leben zu erzählen wissen.  

Habe eine gute Reise, mein lieber Emil, und nimm Dich in Acht vor Stachelschweinen, die vielleicht auch auf der anderen Seite der Regenbogenbrücke leben!


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