Leben ohne Mika

 

Es ist der Tag Eins nach dem Auszug von Mika und die dumpfe Stimmung im Hause und besonders im Bauch ist noch keinem anderen Gefühl gewichen.  Es ist ein Gefühl, das mir in kurzen Abständen die Tränen in die Augen treibt und keine noch so grosse Anzahl anderer Hunde neben mir kann es vertreiben…..

Gestern nun ist Mika nach dreieinhalb Monaten in sein neues Zuhause umgezogen. Bereits die Tage davor waren schwer, wurden doch etliche Dinge in Vorbereitung für diesen Tag gepackt, sortiert, notiert und bedacht. Jeder Blick vom Schreibtisch rechts runter in seinen „Prinzen-Palast“, in sein Kuschelbett, liessen bei mir Traurigkeit aufkommen.

Nur noch kurze Zeit dieses bezaubernde Bild eines schlafenden kleinen Sonnenscheins. Nur noch x-mal kuscheln, nur noch x-mal füttern, nur noch x-mal über ihn lachen. Leute, die mich besser kennen, wissen, dass Welpen bei mir nicht gerade Begeisterung auslösen. Welpen bedeuten sehr viel Arbeit, Unmengen von Wäsche, Berge von Futter, dass besorgt, geschnitten, vermischt und serviert werden muss und tausend Dinge mehr.

Seit dem Sommer 08 bis jetzt ist eine regelrechte Welpenschwemme über mich herein gebrochen, die einen Grossteil meiner Kräfte aufgefressen hat. Als Mikas ehemalige Besitzer mit allem Nachdruck um Aufnahme des Welpen baten, habe ich deshalb damals auch eine Bedenkzeit ausgemacht. Waren seinerzeit doch schon Liza (jetzt Loki) und Justus vor Ort. Die Überlegung, dass der dritte Welpe im Bunde den Kohl nicht fett machen würde, liess mich dann seiner Aufnahme zustimmen.

Nur: Wer konnte ahnen, dass dann ein Meerschweinchen-grosses kleines Etwas mit ca. 900 gr. hier ankommen würde?

Mika war so winzig, dass nicht einmal im Traum daran zu denken war, ihn im Welpenzimmer mit den beiden riesigen Hunden (die selber erst 6 Wochen und 16 Wochen alt waren) unterzubringen. Also zog Mika sofort im Wohnhaus ein, eine Flugbox wurde als Nachtquartier hergerichtet und meine Hunde bekamen ihn einer nach dem anderen gezeigt. Zum Glück habe ich ein wunderbares Rudel, dem damals noch Buma angehörte, der sich aber auch vorbildlich verhielt.

Mika, dieses winzige Tierchen, suchte sich sofort unseren zweitgrössten, ehemals aus der Slowakei geretteten und herzensguten Hund als Babysitter aus. Mika war so gross wie eine Pfote, was ihn aber nicht davon abhielt, vertrauensvoll an allen erdenklichen Stellen zu kuscheln. Aufmerksame Leser, die Welpenfotos aus dem Hundshuus kennen, sehen immer diesen grossen Hund – Ursus oder Ursi genannt – der alle Zwerge beglückt. Auch hier ist er zu sehen: 


http://www.hundshuus.de/hundeglueck/2008/texte/nona.html

 

Mika hatte nach kurzer Zeit den Beinamen „unser Sonnenschein“ bekommen, da es kaum einen Tag gab, an dem wir nicht begeistert seinem Charme erlagen, über ihn lachten und uns an ihm erfreuten. Aus dem Meerschwein wurde ein „grosser“ Jack-Russell-Terrier-Mix mit jetzt 4400 gr. Abgabe-Kampfgewicht. In den dreieinhalb Monaten seiner Anwesenheit machte ich fast 1500 Bilder von ihm – in jeder Lebenslage, in jeder Stimmung. Alle Besucher vor Ort waren verzaubert von meinem kleinen Renn-Modell. Jeder wurde gefangen von diesem schelmischen Blick, der absoluten Offenheit und Freundlichkeit jedem und allem gegenüber.

Wo Mika auch hinkam – zur Anprobe beim Geschirr-Kauf, zum Tierarzt, zur Jahresversammlung des Lüneburger Tierschutzvereins – alle Menschen sprudelten sofort die Worte „ach, ist der süüüüsssss“ aus sich heraus.

Und eigentlich war klar: dieser Zwerg würde nicht vermittelt werden. Die Anfragen zu ihm waren spärlich, aber sie waren vor allen Dingen eines: Nicht geeignet! Und so stand unausgesprochen im Raum, dass unser eigenes Rudel um noch einen Hund grösser werden würde. Bis – ja,  bis die zaghafte Anfrage aus Schleswig-Holstein von Pablos Haltern kam, ob ich mir vorstellen könnte, ihn an eben diese Leute zu vermitteln. Und da wurde mir mulmig… Denn Pablo wurde vor fast drei Jahren als sehr schwieriger Angst-Hund (da in einem Erdloch geboren und aufgewachsen) an diese Leute vermittelt und – obwohl Ersthunde-Halter – haben sie es mit Bravour gemeistert, Pablo in die Weltgeschichte zu integrieren. Seine nicht zu ändernden Macken und Spätfolgen werden akzeptiert, aber es werden auch immer wieder neue Dinge an ihn heran gebracht.

Wenn ich also diesem Platz nicht zustimmen würde (kastrierter Erstrüde, ländliches Umfeld, Einfühlungsvermögen und Durchhalte-Erfahrung, ausbruchsicheres Grundstück mit „Oma und Opa“ mit eigenen Hunden gleich nebenan), dann müsste ich Mika aus der Vermittlung nehmen und ihn endgültig adoptieren. In den jetzt bald 30 Jahren vor Ort und unter dem Namen Hundshuus agierend haben durch meine Arbeit ca. 1000 Hunde ein neues Zuhause gefunden, davon hätte ich mindestens 500 gerne behalten. Wenn also nicht der immer wieder schmerzhafte Grundsatz: „Vermittlung in optimales Umfeld“ der Hauptgedanke dieser Arbeit gewesen wäre, hätte ich schon nach kurzer Zeit meine Arbeit einstellen müssen.

Und der Gedanke: „Welpen bleiben nie, sie finden alle ein gutes Zuhause“ war ebenso ein Leitmotiv. Nun war da also mein Sonnenschein, mein Clown und Schelm, mein Ferrari und Maserati, mein Schlitzohr, meine Charme-Offensive, mein Allerschönster kleiner Zwerg mit tiefem Fahrwerk, mein zarter Terrier, mein Prinz, mein Ursi-Freund – und ich musste mich entscheiden. Und ich habe mich entschieden, denn letztendlich sind unsere eigenen Hunde die verstossenen, ungewollten, ungeliebten und schwierigen Tiere dieser Gesellschaft, die hier eine Bleibe gefunden haben.

Als mein Mann vor 20 Jahren so gerne einen Rauhhaar-Dackel behalten wollte, sagte er damals frustriert: Die guten Hunde gibst Du immer weg und wir behalten den Rest…….

Und das stimmt: Unsere Hunde sind der „Rest“, den niemand haben möchte und die ich unter ganz freiwilligen Umständen sicher nicht unbedingt gewählt hätte. Denn natürlich gibt es bei allen Menschen nicht nur im Miteinander Vorlieben und Abneigungen – auch die Hundevermittler sind durch besondere Vorlieben und evtl. Vorurteile befangen. Und wer anderes behauptet, dem glaube ich nicht. Und – um mich zu outen – mein Herz hat immer den Terriern gehört. Je kratzbürstiger und je rauher im Fell, umso besser.  

Lange Rede, kurzer Sinn: Mika wurde vermittelt.

Und nachdem er nun nicht mehr hier lebt, möchte ich wenigstens die Gelegenheit nutzen, Ihnen noch einige Eindrücke zu vermitteln, was es für ein besonderer kleiner Hund war. Wir sind sehr traurig und mein Mann sagte es gestern Abend sehr richtig: Es fühlt sich an, als sei er verstorben……

 

PS. Ich habe noch gestern Abend und auch heute früh telefonischen Bericht bekommen und es ist alles im normalen Rahmen: Pablo akzeptiert ihn, Mika frisst und hat gut geschlafen und eigentlich können wir alle glücklich sein – eigentlich……..





 

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