Der
Kangal, ebenso wie der etwas schlankere und längerhaarige
"Bruder", der Akbash, gehören zu den Herdenschutzhunden.
Unter anderem gehören auch die russischen Owtscharka-Rassen,
der Komondor, der Kuvasz, und einige polnische sowie
slowenische Rassen zu ihnen.
Diese
Rassen wurden über mehrere Jahrtausende dazu gezüchtet,
dass sie völlig auf sich gestellt bei den grossen Schaf-
und Ziegenherden zurück blieben, um diese ab Einbruch der
Dunkelheit gegen Bären oder Wölfe auf Futtersuche zu
verteidigen.
Um diese Aufgabe zu erfüllen, bedarf es eines mutigen Hundes,
der nicht die Nerven verliert, der nicht bei der kleinsten Bewegung
lauthals ohne Ende kläfft und womöglich allem Fremden
hinterher jagt und dabei nach der halben Nacht am Ende seiner
Kräfte ist und keinen Schutz mehr für seine ihm anvertrauten
Tiere darstellt.
Herdenschutzhunde
sind sehr selbstständige Hunde - Hunde, die sich mit dem
empfangen und sofortigen Ausführen von Befehlen schwer tun.
Diese Hunde hatten immer wenig Kontakt zu Menschen, waren es also
gewohnt, eigenständig zu entscheiden, zu beurteilen, abzuwägen
und zu handeln. Das heisst nicht, dass diese Hunde nicht gehorchen.
Sie müssen aber aus der Sicht ihrer Halter so akzeptiert
werden, wie sie nun einmal sind. Und dazu gehört kein Gehorsam
a la Schutzhund.
Ein Herdenschutzhund ist kein aggressiver Beisser, er ist ein
auf den ersten Blick leicht träge erscheinender Hund, den
man für etwas tumpig hält. Die Hunde liegen gerne erhöht
auf ihrem Grundstück, betrachten die gesamte Umgebung, registrieren
kleinste Veränderungen und - bleiben weiter ruhig liegen.
Sollten sie aber der Meinung sein, ihrem Rudel (in diesem Fall
ihren Menschen) oder ihrem Territorium nähert sich etwas
Bedrohliches, Unbekanntes, dann sind sie blitzschnell da, bereit
zu verteidigen, einzugreifen. Der Kangal beisst nicht wild um
sich, macht aber jedem Eindringling klar: Bis hierher und nicht
weiter......
Ich
möchte Ihnen als potentiellen Hundehaltern wirklich keine
Angst machen, indem meine Beschreibung zu drastisch klingt, aber
Halter, die diese Hunde bei sich aufnehmen wollen, müssen
einfach wissen, dass es sich nicht um ein Wollknäuel für
die Kinder zum spielen handelt und auch nicht um einen Ball apportierenden
Hund. Die Herdenschutzhunde müssen in ihrer manchmal etwas
unnahbar erscheinenden Art und ihrem kaum vorhandenen Spieltrieb
von ihren Haltern respektiert und akzeptiert und auch geliebt
werden. Eigenheiten, die über Jahrtausende herausgezüchtet
wurden , kann kein unzufriedener Besitzer abgewöhnen oder
ab-erziehen.
Generell stellt sich wie bei so vielen anderen Hunderassen natürlich
auch hier die Frage: Was haben diese Rassen eigentlich in einem
so überbesiedelten Land wie Deutschland verloren? Aber diese
Frage stellt sich bei allen Schlittenhunden, bei den meisten Meutehunden,
bei vielen Jagdhunden, bei vielen Rassen, die früher zu Kämpfen
mit anderen Tieren verwendet wurden usw.
Es ist letztendlich wie mit Reisen, Autos o.ä. Die Menschen
möchten eben gerne etwas Ausgefallenes besitzen, etwas, dass
der Nachbar nicht vorweisen kann.
Ich
möchte noch einmal kurz die Ansprüche dieser (und anderer
Herdenschutzhund-Rassen ebenso) formulieren:
Sie
sollten einen solchen Hund nicht übernehmen wollen, um sich
mit einem grossen Hund einer unbekannten Rasse zu schmücken.
Sie sollten vielmehr geprägt sein von Respekt und Bewunderung
gegenüber eigenständigen Hunden. Eine Schutzhundausbildung
sollte den neuen Haltern völlig fern liegen. Diese Hunde
sind mit genügend natürlichem Schutztrieb ausgestattet,
den man nicht durch anstacheln noch erhöhen sollte.
Es wäre schön, wenn die zukünftigen Halter ein
Grundstück besitzen würden, nicht gerade in der Stadtmitte.
Man sollte vom neuen Familienmitglied nicht erwarten, dass es
Ballspiele oder mit den Kindern wilde Jagden macht.
Diese Hunde ruhen in sich selbst, was aber auch nicht heisst,
dass man sie den ganzen Tag im Garten "vergessen" kann.
Diese Rasse darf keinesfalls in einen Zwinger abgeschoben werden.
Freiheitsliebend wie sie sind, würden sie darin zugrunde
gehen. Sie brauchen (wie jeder Hund) ausgedehnte Spaziergänge,
damit sie sich nicht zu Tode langweilen und dadurch Verhaltensauffälligkeiten
(wie jeder Hund) entwickeln.
Die neuen Halter sollten keine unerfahrenen Hundehalter sein.
Sie sollten in der Lage sein, einem Hund ohne Gewalt und mit Geduld
zu zeigen, was von ihm erwartet wird. Die Rangordnung sollte geregelt
werden können, kleinste Signale, die auf Verschiebungen hindeuten,
sollten erkannt werden. Sie sollten dem neuen Hund Zeit lassen,
sich einzuleben und ihn nicht bedrängen, bis dieser von alleine
zu verstehen gibt, dass er sich langsam zum Rudel dazugehörig
fühlt. Diese Punkte, die ich hier extra erwähne, treffen
auch auf jeden anderen Hund zu, nur ist es ein Unterschied, ob
ein Pudel oder ein Hund dieser Grösse falsch behandelt werden
und u.U. dann reagieren.