Da fällt mir noch ein...

 

 

 

 

 

Andere Länder, andere Sitten:

Als Freunde vor etwa 5 Jahren mitteilten, ihre damals 83 jährige Mutter, leicht gehbehindert, hätte sich nun nach sechs Jahren Hundepause wieder einen Kameraden zugelegt, war ich erfreut.
Wie schön, ein alter, abgeschobener Hund hatte also doch noch einen schönen Lebensabend vor sich.
Die dann folgende Information allerdings verschlug mir die Sprache: Es handelte sich bei dem neuen Familienmitglied keineswegs um einen alten Hund, weit gefehlt: Ein sechs Wochen alter Rüde zog ein in die Wohngemeinschaft zu zweit... Und zwar eine Kreuzung aus Dobermann/Schäferhund und Labrador.
Ich war schier sprachlos, dann konnte ich mich wie üblich nicht zurückhalten und fragte hypererregt, ob die Tochter sich denn nicht dagegen aussprechen wollte, es der Mutter verbieten würde???? Ich hätte im eigenen Familienkreis sicher einen Riesenstreit vom Zaume gebrochen und wäre bis zu der Drohung gegangen, bei weiterer Haltung des Welpen alle Kontakte abzubrechen.

In diesem Fall hier allerdings schauten mich Tochter und Schwiegersohn sehr verärgert an und machten mir klar, dass sie sich auf keinen Fall in diese Entscheidung einmischen würden.

Über die Jahre erkundigte ich mich regelmässig nach dem Rüden, sah ihn manchmal auch an seinem Strick neben der Haustür angebunden sitzen. Er war ein wirklich riesiger Hund geworden, weitaus grösser als alle angeblich beteiligten Rassen.
Alle meine Versuche, sein Leben etwas angenehmer zu machen, in dem ich z.B. den erwachsenen Enkel beeinflussen wollte, dem Rüden doch eine lange Laufleine über dessen riesiges Grundstück zu installieren, schlugen fehl. An der Toleranz gegenüber anders Denkenden, an Geiz, an Faulheit.

Der Rüde ist nun fast sechs Jahre alt, er ist definitiv niemals spazieren geführt worden, das Grundstück, auf dem er frei zum pieschen unter Aufsicht läuft, ist nicht eingezäunt und dicht an der Strasse gelegen, er ist übergewichtig, kaum erzogen, wird von abends um 20 h bis morgens um 7 h in einem relativ kleinen Flugkäfig eingesperrt und was soll ich sagen? ALLE SIND ZUFRIEDEN!! Der Hund macht keinen ungewöhnlich frustrierten Eindruck, er hat sich keine Übersprunghandlungen angewöhnt, er ist ein ruhiger und unauffälliger Hund.
Und wo wohnt er? In Canada!

Und damit bin ich bei einem weiteren erstaunlichen Aspekt: Die Hunde im hiesigen Tierheim, sehr gross und unerzogen, sind nicht aggressiv oder gar dominant. Solche Eigenarten sind so selten, dass sie kaum ins Gewicht fallen.
Und das Gros der canadischen Hunde in dieser Provinz wird aus unserer deutschen Sichtweise falsch gehalten: Entweder sind es runde, eigentlich verfettete "Couch-potatoes" (Kuchenrollen), die nie auch nur mehr als 50 m am Tag laufen oder es sind vernachlässigte, ständig angekettete und rüde behandelte Tiere, die ebenfalls nie laufen, evtl. sogar noch misshandelt werden.
Woher kommen nun also diese unkompliziert zu haltenden Hunde?
Ich weiss es nicht, nehme aber an, dass die nordamerikanische Tierheimpolitik, jeden Hund sofort zu töten, der Aggressionen erkennen lässt, dazu beigetragen hat.
Im hiesigen Tierheim werden seit 6 Jahren keine Tiere mehr ohne sehr vernünftigen Grund getötet, trotzdem gibt es keine auffälligen Tiere. Und das bei einer Käfiggrösse von ca. 150 x 100 cm, keinem Kontakt zu anderen Hunden und absolutem Alleinsein (da Arbeitsschluss) von 16 h bis 8 h früh.
Vielleicht ist es auch die sehr unterschiedliche Art, mit den Tieren umzugehen. Die Tierheim-Mitarbeiter säuseln in höchsten Tönen mit ihnen, es wird alles sehr vermenschlicht übermittelt. Keine klar gesprochenen Befehle, keine handgreifliche Korrektur, aber sehr viele Leckerlis.
Die räumlichen Zustände würden bei uns einen Kreisveterinär auf den Plan rufen, die Art des Umgangs würde Hundetrainern die Nackenhaare hochstellen, und trotzdem: die Hunde sind weitaus weniger auffällig als die vergleichbaren Tiere in deutschen Heimen.

Also doch: Andere Länder, andere Sitten, andere Hunde?


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